Sonntag, 12. Oktober 2014


Israel



Photo: Sophie v.Zitzewitz

Zugegebener Weise war ich noch nie zuvor so aufgeregt, ein Land zu bereisen. Doch was mich empfing, war nicht die Illusion aus den Medien. 


Wie kannst Du nur ausgerechnet jetzt fliegen - in Zeiten des Krieges??!!!! fällt mir zur Abreise noch meine Mutter ein. Verdenken konnte ich ihr jene Angst nicht, hatte man vor wenigen Wochen noch jedes einzelne Geschoss verflogt, das zwischen Gaza und Israel flog, jeden Tag von neuem die Zeitung mit Panzern und Leichen geöffnet und (welch Ironie) versucht, sich eine Meinung über ein hundertjährige Problem zu bilden. 
Ein recht blutiger Sommer liegt hinter diesem Land, das mich trotz seiner Tragödien immer mehr in seinen Bann zog und das mich jetzt mit kolossaler Anziehungskraft lockte; aus vielerlei Gründen. 

Mulmig wurde mir erst, als ich im Easy Jet und Morgengrauen Berlin Schönfelds auf dem Rollfeld saß. Erstens hatte ich nicht ein Quäntchen Vorstellung, was mich erwarten sollte, da sich meine Erinnerungen aus dem Geschichtsunterricht, Zeitungs-Wahrheiten und der Bibel (sage ich das gerade wirklich?!) zu einer undurchsichtigen Suppe vermischten. 
Zweitens, weil ich mir plötzlich nicht mehr so sicher war, ob es sich um eine clevere Idee handelte, über Gebiete zu fliegen, in denen gerne mal in die Luft gefeuert wird. Wobei mir mal wieder Astrid Lindgrens Madita-Geschichte (wohl eher -Fabel!) nachhing, in der die nigelnagelneuen Lackschuhe gegen Mamás Willen doch zum Volksfeuer ausgetragen werden und Madita am Ende nur mit einem Schuh nach Hause kommt (Fazit: Hätte man mal auf Mutti gehört)...! Mein Barometer schwankte gewaltig zwischen Reue und Vorfreude.  

Nach drei Stunden, 45 Min (die wie im Flug vergehen {ohne schicksalhafte Vorfälle}), setzen wir auf israelischen Boden. Ein warmer Wind weht mir durchs Haar, als ich die Nase aus dem Flugzeug streckte und in der Ferne schon das Meer sehen kann, Königsblau. Ben Gurion (mit Nachname Airport) breitet seine Touristenfreundliche Arme aus und entpuppte sich, oh Wunder, als Oase der Entspannung. Keine Stresszerfurchten Beamten, kein hetzerisches !Go, go, gooo!!!, wie einst in New York, wo bezüglich Terrorgefahr eindeutig mehr     (Show-)Drama stattfand! 

Ein Schritt trennt mich noch von Tel Aviv's Sonnenwetter, als mich die Augen weiblicher Jugend hinter der Passkontrolle durchbohren. Wer ich sei, will Iron Lady wissen, und was ich hier wolle!  Drogen schmuggeln, Seuchen überbringen, Bomben werfen?! 
Die klügsten Antworten schießen mir durch den Kopf, von ihrem Blick zu Eis gefroren. Ruckzuck weiß sie ebenfalls, wo ich wohnen soll, mit wem ich verkehre, was ich vorhabe, und wann ich wieder abreise. Fehlt nur noch meine Jeansgröße.

Endlich darf ich mich entfernen und in die wohlig warme Luft eintauchen, die mich draußen empfängt. Palmen, azurblauer Himmel, der Davidstern flattert in der Luft, Wasserspeier, staubige Taxis rauschen vorbei. Shalom Israel! 



Vom Flughafen bis zum Strand, besser gesagt dem Herzen Tel Aviv, dauert es eine halbe Stunde; womit das Abenteuer gleich beginnt. 
Wenn es eins ist, was dem Europäer in Israel den ersten Kulturschock einjagt, dann die Autobahn! "Lights are just a recommendation!", teilt mir mein Begleiter (gebürtiger Israeli) schmunzelnd mit und es ist nur schwer zu übersehen, was er meint. 
Vom Wüstenstaub in ein und die selbe Schlammfarbe gehüllt, drängelt sich hier eine Blechkiste an die andere. Ein einziges Gehupe, energisches Anbrausen wie ebenso Adrenalinreiches Blitz-Bremsen. Man wechselt die Spur, wie es einem gerade so passt - das perfekte Chaos hängt wie eine Dunstwolke über den Blechlawinen.
Dazu das arabische Gedudel aus dem Radio, im Orient, im Orient... (Wo niemand meinen Namen kennt) - was für ein Schauspiel, ich bin baff.

Je näher wie unserem Ziel kommen, desto näher schrauben sich die Hochhäuser gen Himmel. Bröckelnder 70er-Glamour reihen sich neben gläserner Space-Architektur, auf den Straßeninseln biegen sich die Palmen in der Meeresbrise. Das Miami des Nahost, bloß in vorkindlichem Stadium und vom gelben Wüstenstein beherrscht. 
Doch was diese Stadt ausmacht, sind nicht seine Wolkenkratzer. Vermutlich werden die in ein paar Jahren auch mehr hergeben als bisher - wenn ihre frischen Baunarben verheilt und sie von ihrer Stromkabelfrisur befreit wurden. 


Nein, es ist nicht eine atemberaubende Skyline, die man hier freudig erwarten muss - aber einen ganz besonderen Flair. Man kommt viel mehr hierher, um etwas zu genießen, das es so, in seiner Multikulturellen Begebenheit, seiner ganz eigenen Künstlernote, seinen Gerüchen und Geschmäckern, seiner Natur und seinen Menschen nirgendwo anders zu finden gibt. Auch nach außergewöhnliche Museen oder bedeutende Denkmäler sollte man hier nicht Ausschau halten, nein, es gilt einfach in Israels Seele einzutauchen, einen Fuß ins öffentliche Leben zu setzen und das spielt sich hauptsächlich draußen ab.

Gleich Barcelona oder anderen gesegneten Meer-Städten bietet die malerische Promenade vom Frishman Beach, neben anderen Locations, besonders sehenswertes Vergnügen. Unter einer stets lachenden Sonne locken nicht nur das akkurat saubere Meer von Badewannentemperatur, mehr als einen Zeh hineinzustecken. Sondern genauso der schneeweiße Puder-Sand, wie hippe Strandbars und noble Restaurants. Wer schöne Körper vor die Linse bekommen möchte, ist hier übrigens auch nicht falsch!

Ist einem jedoch mehr nach einem Stadtspaziergang, sollte man sich dagegen flugs auf den Rothschild-Boulevard bewegen, wo die weltweit höchste Konzentration an Bauhaus-Pracht an Bohemien-Ähren erinnern lässt. Nicht ohne Grund darf diese Gegend sich seit 2003 UNESCO-Weltkulturerbe nennen. Die schönsten Momente fürs Auge habe ich bei Nacht in Erinnerung, wenn die Häuserfassaden of white city wie Mondstein aus der Dunkelheit schimmern, Lichterketten die großen, alten Bäume befunkeln und aus jedem Straßencafé Musik und Gelächter auf die Bürgersteige weichen. Nichts besseres kann man tun, als hier zu später Stunde noch eine Zitronenlimonade mit Schuss oder einen Türkischen Kaffee zu kosten und sich an dem Wortstarken Singsang der Einheimischen zu erfreuen. Vom übrigen Nachtleben ganz zu schweigen. Das ist nämlich erste Sahne und bietet neben mehrstöckigen Clubs viele schmucke Bars, in die es sich per Zufall reinstolpern lässt. 


Was man unbedingt nicht verpassen sollte, ist die antike Hafenstadt Jaffa. Hier lässt man sich am besten in einem der kulinarisch Tonangebenden Fischlokale nieder und beobachtet die eintreffenden Segelbote. Neben der taufrischen Meereskost empfiehlt sich auch ein typisch israelisches Frühstück. Vorstellen darf man sich hier drunter Salat, versetzt mit allerlei bunten Zutaten, vorzugsweise Humus, Oliven, verschiedenem Ziegenkäse, Gemüse oder Thunfisch; dazu wird warmes Fladenbrot und die beste Zitronen-Limo der Welt gereicht. 
Über allem wacht in den Hügeln die antike Altstadt, zum ersten Mal in der Geschichte erwähnt 3500 Jahre vor Christus. In den dichten Steingassen haben sich duzende Künstler-Ateliers angesiedelt, in denen man stundenlang stöbern kann und in der Mittagszeit der gnadenlosen Sonne entkommt.
Besonders ans Herz gewachsen sind mir auch die  Straßenmusiker, die es wie Sand am Meer zu geben scheint, im Schatten von Feigenbäumen sitzend und meist jüdische Klarinettenstücke zum Besten gebend. 
Im Gegensatz zu den meisten Ländern unserer Umgebung wird einem hier auch nicht der globalisierte Zara-H&M-Mango-Müll zum Konsumieren angepriesen, stattdessen dominieren noch viele No Names den Einzelhandel, der mit eigenständige Kreativität kokettiert. 


Und genau nach diesen No Names sollte man sich umgucken, wenn man ein paar Schekel (dessen Farbenfreude einen an Monopoly-Geld erinnert) ausgeben wollte. 
Also auf nach Neve Tzedek!
Wer hier nicht sofort den Wunsch hegt, in einem der idyllischen Gassen unter den Blumendächern ein Intellektuellen-/ Künstlerleben zu führen, ist sonderbar. Am liebsten, hätte ich gleich überall meine Moneten gelassen, denn aus jedem Schaufenster schien mir etwas zu zuzwinkern, das bestimmt keine andere Menschensseele auch zu haben schien. Fast war es wie eine Zeitreise, dann wiederum, aus dem staubigen Stadtdschungel verbannt, ein Steinwurf ins alte Südfrankreich. Für junge Designer jedenfalls ein dankbares Stück Boden, genauso wie für streunende Katzen. 



Woran ich mich anfangs noch gewöhnen musste, war die starke Präsenz des Militärs. Nicht weil es mir nicht behagte, wenn sie im Parkhaus nach Sprengstoff fahndend, den Kofferraum aufrissen, sondern weil ich niemanden in meinem Alter erblickte, der nicht die noble Armee-Kluft am Leib trug. Oder man in der Shopping Mall Rolltreppe fährt und neben dir ein Meterlanges Maschinengewehr baumelt, noch dazu an einem kleinen, zarten Mädchen mit dunklen Rehaugen - einfach so. 

Trotzdem muss ich ein paar Vorurteile aus dem Weg räumen, die so viele, wie ich glaube, am Reise-Potential zweifeln lässt. Wer behauptet, in Israel leben nur Juden und es handele sich quasi um eine moderne Apartheid, der kann noch nie dort gewesen sein. Fährt man nur ein wenig durch die Landschaft, sprießen die geräumigen Siedlungen der Araber nur so aus dem Boden. Im Gegensatz zu den Juden, die spitze, rote Ziegel-Dächer auf ihre Häuser setzten, machen sie hingegen ihr Revier mit flachen kenntlich. Vielleicht nennt man sich nicht Brüder, doch man lebt immerhin friedlich nebeneinander her und so lange ein florierender Handel untereinander herrscht (sowie z.B. in Jaffa, dessen Gastronomie komplett in arabischer Hand liegt), hat man sogar noch ein freundliches Wort für den anderen übrig. Gaza wirkt im lebensfrohen Tel Aviv allerdings so fern wie der Mars. 



Wirklich viel Zeit verbrachte ich in Tel Aviv selbst nicht. Das Land bietet viel zu viel Ausflugsmöglichkeiten, als dass es einen lange an einem Ort hält! Man setzt sich bloß eine Stunde ins Auto und ist Schwups die Wups in den Bergen, oder sagenhaften Wüstenstrichen. 
Aber davon ein anderes mal!


Euer Fräulein Schreibwütig


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