Pierre-August-Renoir |
Schaue ich Filme wie diese, denke ich so oder so immer, in der falschen Zeit geboren sein zu müssen.
Als ich sechzehn war, verguckte ich mich in Alexader Fehling als Göthe und ließ die Filmmusik 3000 Mal (manchmal sogar noch heute) in meinem CD-Player kreisen. Damals dachte ich, Ästhetik dieser Art nicht so schnell wieder auf deutscher Leinwand zu erleben. Zu sehr ist das Abendprogramm auf Rose-Munde-Pilcher-Heulerei fixiert, von noch weinerlichen Schauspielern verkörpert, als dass man Romantik noch wahrhaft romantisch wahrnimmt.
Produzent Dominik Graf hauchte nun auch Goethes Bewunderer und späterem Kollegen Friedrich Schiller Leben ein und wirft mit emotionalen Geheimnissen nur so um sich. Tragisch ist die Liebesgeschichte nicht auf die simple Werther-und-Lotte-Tour, wo sich ein verzweifeltes Gefühls-Bündel in eine Ehe einzumischen droht.
Nein, bei Schiller und seinen beiden Herzdamen, Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld, bahnt sich eine Dreiecksgeschichte an, die einen, umrahmt von himmlischer Musik und Bildern gleich Gemälden, innerlich zerreißt. Eine Triangel-Tragödie vom Feinsten.
Das Schlimme an der Geschichte, man weiß sich nicht zu entscheiden. Weder für die eine, noch für die andere Seite.
Nicht für den träumerischen, charmant und (wie man weiß) bald auch noch erfolgreichen Schreiberling Schiller. Auf den ersten Blick hat man für ihn nur das Wort bereit, das mit Arsch beginnt und mit Loch endet, denn auf sehr charllante Weise nimmt er es sich raus, gleich beide mit seiner Liebe zu versorgen. Auf den zweiten tut sich vom Schreib-Genie jedoch eine traurig, verletzliche Seite und schlicht ein dummer Jüngling auf, in seinen Gefühlen verrannt. Denn auch wenn er sich weder reif, noch überlegt verhält, ist er von Anfang an eins - ehrlich! Was mit den deutlichen Worten "Ich liebe Sie beide" das Feuer entfacht, reißt Stück für Stück die beiden Schwestern ins Verderben.
DPA: Schauspieler (v.l) Henriette Confurius, Florian Stetter & Hannah Herzsprung in Die geliebten Schwestern |
Übrig bleiben noch Caroline und Charlotte, zwei Geschwister, so rührend, innig, dass sie aus einem Bilderbuch gehüpft scheinen.
Der ruhigen, sanftmütigen Charlotte, kann man allein wegen ihres Engelsgesicht keinen Wunsch abschlagen. So geht es auch Schiller, der Ihr aufs Landgut in Rudolpfstadt folgt und einen Sommer erleben wird, der sein Leben von heute auf morgen verändert.
Trotz einer schüchternen Fassade gerät Charlotte für ihn ins träumen. Eine Hand wird sie ihm zum Ehegelübde reichen, an der anderen wird ihre Schwester hängen.
Caroline ist nicht mehr die Unschuld vom Lande.
Unglücklich mit dem vermögenden Grafen von Beulwitz liiert, lastet auf ihren Schultern das finanzielle Wohlbefinden der Familie. Nicht aus Liebe, sonder aus Geld fristet sie eine Ehe, die beim Anblick von Schiller und Charlotte nur noch mehr getrübt wird. Ähnlicher ist sie dem Kavalier ihrer Schwester allemal. Sie pflegt literarische Leidenschaften, wird eines Tages Prosa veröffentlichen und in Schiller findet sie einen fabelhaften Gesprächspartner. Wie soll es da anders kommen, als dass Schiller sich auch zu ihr hingezogen fühlt?! So mal sie direkter, offensichtlicher mit ihm flirtet, um seine Liebe wirbt - und sie auch bekommt.
Glaube ich meinem Freund, so ist es der heimliche Traum eines jeden Mannes. In meinen Ohren klingt das immer nach Vicky-Christina-Barcelona. In anderen Worten, freien, wilden Künstlerseelen, die der gesellschaftlichen Ordnung strotzen und immer eine Flasche Wein zu viel trinken. Interessant finde ich dabei immer, dass automatisch von der physischen Anziehungskraft unter den Frauen ausgegangen wird; auch wenn man grundsätzlich nicht das gleiche Geschlecht bevorzugt. Schlägt man jedoch dem Mann vor, doch mal einen Kerl zu küssen, guckt der kariert aus der Wäsche. Es ginge schließlich um die Sinnlichkeit, Schönheit der Natur - aha.
Dieses Problem konnte Dominik Graf mit seinen geliebten Schwestern elegant umgehen, schließlich liebten sich die Lotte und Line platonisch.
Was ich mich nur frage, in wie weit sind Wünsche und Realität in Beziehungen zu vereinbaren?
Oder anders, in wieweit sollte man solchem Begehren Beachtung schenken?!
Was Friedrich Schiller an Wahrheit verkörpert, man ist in seinen Gefühlen nicht beschränkt. Nein, man ist durchaus in der Lage, mehr als nur eine Seele zu lieben. Vielleicht, weil sie einem nicht unbedingt mehr, sondern etwas anderes gibt. Weil man in seinem/ihrem Licht vielleicht noch eine Facette seiner selbst entdeckt, die man auch mag. Es geht hier nicht um eine klassische Affäre, getränkt von Verrat, Feigheit und Respektlosigkeit. Es handelt sich vielmehr um eine innere Zerrissenheit, die trotz aller Freiheit Fragen aufwirft. Fragen vom Wunsch der Einzigartigkeit, der Eifersucht und erzwungenen Loyalität.
Mittlerweile werden immer mehr Stimmen laut, wir seien tief im Inneren noch Rudeltiere und lebenslang nicht für den oder die einzige bestimmt. Es gebe zu viele gute Gene, die da draußen auf uns warten, sich mit einander zu mischen. Die Scheidungsrate singt auch nicht das Lied von ewiger Liebe. Wo sich in Amerika bereits 50% der Ehe wieder auseinander dividieren, schafften es 2012 169 833 (Statistisches Bundesamt) deutsche Paare ebenso wenig! Man gehe davon aus, dass die stärkere Vernetzung der Bevölkerung und interessanter Weise auch die wachsende Unabhängigkeit der Frau großen Einfluss auf diese Zahlen genommen haben. Abgesehen von all den Ehen, die rein zum Schein noch das selbe Haus, längst aber nicht mehr das gleiche Bett bewohnen.
Traurig aber wahr.
Nur, sehr geehrte Forscher, was schlagen Sie als Lösung vor?
Sollen wir wieder in großen Horden leben, wie die Urvölker des Amazonas, uns mit Hinz und Kunz paaren, die Kinder in der Gemeinschaft aufziehen und den Glauben auf Anspruch, oder Besitz ohne weiteres aufgeben?!
Ich fürchte, spätestens nach einer Woche würden die meisten Großhirn-Besitzer wieder ihre Zivilisation vermissen - samt Ehe-Therapeuten. Schließlich haben wir uns nicht ohne Grund zu dem entwickelt, was wir heute sind. Oder ist allein die Kirche Schuld?!
Denn zweifellos ist sie das Institut, das die Zweisamkeit heilig sprach und dabei einen der wichtigsten Faktoren zu Scharm und Schande verteufelte. Kein Sex vor der Ehe, die heilige Jungfrau Maria etc.
Aber zurück zu unserem Dreiergespann.
Was zwischen den zwei Adelstöchtern und dem Frauenheld so aufregend, romantisch begann, verläuft sich gegen Ende des Films in Verbitterung. Die schöne Charlotte, Ehefrau und Mutter von Schillers Kindern beansprucht Herrn Casanova immer mehr für sich allein. Doch den Schmerz und die Eifersucht der ausgegrenzten Schwester bekommt sie trotzdem nadelfein zugeführt, da diese ab und an Schiller zu wilden Liebesabenteuern verführt. Es kommt, wie man es schon ahnen musste. Aus der Schwestern-Liebe kristallisiert sich eiskalter Hass, die einst geliebte Seelenverwandte wird zum Erzfeind.
Warum selbst hier?
Weil Eifersucht keine erfundene Wehleidigkeit ist, die man wie eine Lampe an- und ausknipsen kann. Der Schmerz beim Anblick des Geliebten mit jemand anderem wurde uns auf die Gene gelegt, man findet sie in Tierverhalten oder selbst der griechischen Mythologie wieder. Rein aus Schutzinstinkt. Sie ist nicht nur ein natürlicher Mechanismus, sondern von unserer Kultur auch noch aufgeputscht. Mit jedem Schritt aus dem Rudel in die Städte wurden uns so manche Instinkte ausgetrieben, unter anderem der Killerinstinkt (um sich vor Feinden zu schützen). Was wir uns jedoch beibehielten und vielmehr weiter ausbauten, war das Urgefühl der Eifersucht. Seitensprünge bedeuteten immer mehr das Ende der Welt und die Gesellschaft ächtete die Täter. Daran werden wir so schnell nichts ändern, was für den einen positiv oder negativ klingen mag. Die Geliebten Schwestern raten einem, besser die Finger davon zu lassen. Denn leiden tuen am Ende alle.
Vielleicht ist Monogamie nicht für jeden das Richtige. Jemand, der von sich zu ahnen mag, sein Bedürfnis an unterschiedlichen Partnern nie stillen zu können, sollte vielleicht nicht heiraten und am Ende noch seine Kinder mit ins Verderben reißen. Aber die, die sich an ihr versuchen wollen, sollten nicht ausschließlich nach Atraktivität gehen. Denn Schönheit ist austauschbar, an jeder Straßenecke, und geht im täglichen Anblick in Gewohnheit über. Doch um die Entscheidung, ob nun der, oder die, wird man, glaube ich nicht herumkommen. Am Ende muss man sich auf einen festlegen, denn alles ist auch nichts.
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