Montag, 4. November 2013




Live in Liverpool
Reisebericht Teil 1




Man frage nicht warum, doch es ist gar nicht lange her, da konnte ich mir unter der besagten Stadt überhaupt nichts vorstellen! Ein weißes Blatt in meiner Imaginationsecke, sozusagen.
An einer Küste Englands gelegen und in den 60ern niemand anderes hervorgebracht als die Beatles. Und hier endete die Liste dann auch schon; mehr wäre mir beileibe nicht zu diesem Ort eingefallen. Bis die Idee eines Wochenendtrips dazwischenfunkte. So begab ich mich neulich mit meinen zwei Freundinnen auf Reisen und schlitterte erwartungslos gradewegs in eine tolle Entdeckung! 


Freitag:
Ein rauer Wind fährt uns durchs Haar, als wir über die Bahnhofsschwelle treten und in Liverpool gestrandet sind. Drei Stunden Zugfahrt von Oxford liegen hinter uns, die wir uns mehr als einmal errennen mussten (Team Chaos unterwegs…).
Zwar hängt die Dämmerung schon über den Dächern, doch der Ausblick veranlasst uns zum Staunen! Unter uns erstreckt sich eine Metropole! Herrschaftliche Straßen verlaufen strahlenförmig in alle Richtungen und laden von unserer Hügelkuppe zum Passieren ein. So weit das Auge reicht, reihen sich herrschaftlich imposante Gebäude aneinander; eine Harmonie von antikem Flair und postmoderner Architektur. Es scheint, als öffne die Stadt gradewegs ihre Arme und hierbei macht sie ihrem Weltkulturerbe-Titel alle Ehre.
Unsere wie immer zu schweren Taschen geschultert (man weiß ja nie…), machen wir uns zu Fuß auf den Weg. Nein, das hier ist nicht das schnuckelige Oxford mit seinen urigen Kleinstadtgassen. Das ist Europas Kulturhauptstadt (nebenbei bemerkt) und außerdem eine ganze Ecke größer, pulsierender als erwartet.



Wir sind noch keine 100 Meter gelaufen, als eine große rote Uhr mit den goldenen Lettern uns vom Weg abkommen lässt. Die nächste halbe Stunde müssen wir uns erst einmal in Henry Bohn’s Books verlieren, einem Buchladen wie er in Geschichten geschrieben steht! Bis zur (schiefen) Decke stapeln sich die gezeichneten Lederkleider englischer Literatur und schreien danach, adoptiert zu werden. Es handelt sich nämlich um Second-Hand-Ausgaben, von ihrem gediegenen Schatzmeister liebevoll verwaltet.
Als wir wieder auf die Straße treten, ist es bereits dunkel und Google Maps führt uns, bedauerlicher Weise, eine sechsspurige Bundesstraße hinauf – immer weiter aus der Stadt hinaus… 

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir unser Hostel in spukender Umgebung und sind äußerst gespannt auf unser Zehnerzimmer… Wir drei scheinen allerdings noch die einzigen Neuankömmlinge zu sein, denn aus den Hochbetten mit wackeligen Streichholzbeinen haben wir die freie Wahl. „Nimm doch das hier!“, der Hostelking zeigt schrägen Lächelns auf ein Doppelbett – danke, nein! Lieber krabble ich schnell in eine Koje direkt unter der Zimmerdecke. Das andere ist mir dann doch zu einladend - für unbekannten Besuch. Man darf nicht klagen bei 15Pfund die Nacht. Der Blick aus dem Fenster ist dafür umso magischer.

Im zünftigen Weltuntergangsregen rauscht unser Bus ins Zentrum. Unsere Taschen wertstandsfrei aufs Bett geschleudert, waren wir schnell geflüchtet und wollen uns jetzt ins Nachtleben werfen. Vom Reisetrubel ausgehungert, kehren wir in einen geselligen Pub (Name nicht nennenswert) ein und finden uns in Halloween Land vor. Es gibt herrlich viel zu beobachten, da zwischen Gespenstergirlanden, Kürbisfratzen und Hexenhüten hier auffällig viele Emos ihr Bier trinken. Dass die Engländer sich gerne verkleiden, habe ich schon erwähnt, oder?!

Seit meinem ersten Tag in England habe ich großen Gefallen an des Insulaners Pubkultur gefunden! In einen Pub zu gehen ist wie in ein trautes Wohnzimmer einzukehren und dort mit Alt und Jung seinen Feierabend oder den Geburtstag seiner Katze zu zelebrieren, man findet immer einen Anlass!






Unsereins zieht es jetzt zum Cavern Club. Dorthin, wo alles begonnen hat. Dort wo Lennon und seine Kumpanen die berühmteste Musikgeschichte der Welt schrieben und Liverpool (für immer?) populär machen sollten. Mehr als eine Milliarde verkaufte Tonträger nach Schätzungen ihrer Plattenfirma und zwischen 1964/69 Hitparadenführer in allen Ländern der Welt. Die 60er liegen jetzt zwar doch schon eine Weile zurück (Jugendjahre meiner Großeltern), aber dennoch sieht man in meiner Generation noch diese huldigende Faszination in den Augen glimmen, sprechen die Leute von den Beatles. Ihr Spirit steht wie ein Dach über den Gassen um die Mathew Str., die, von kleinen Untergrund-Bars geflutet, musikalischer kaum sein könnten. Sowie es Livemusik an jeder Ecke zu hören gibt, hat man hier und da die Ehre, die in Bronze gegossene Bekanntschaft mit Lennon, Paul, George und Ringo zu machen. Regentropfen auf unsere Schirme prasselnd, spazieren wir durch die Gassen (englischer geht es doch kaum, nicht?!) und hüpfen schließlich die Stufen hinab. Willkommen im Cavern Club!
Alles schert sich hier begeistert um die kleine Bühne, mit Freunden oder Familie steht oder wippend man hier zum Rocken ’n’ Roll und schlürft sein Ale. Eine Meute Junggesellinnen stürmt (wie zu erwarten war) wild kostümiert die Tanzfläche und zeigt allen mal, was es heißt, ein englisches Mädchen zu sein! Zwar erinnern sie eher an Amy Winehouse, Matrosen und Schweinchen mutierte Trolle, aber lustig anzusehen ist es! 
Ein Typ mit langem, lockigen Haar und Rauschepart lässt die Spannung knistern, indem er in Zeitlupe an seinem Bass schraubend, seinen Auftritt ankündigt. Albrecht Dürers Jesusporträt zum Verwechseln ähnlich kommt er schließlich zum Punkt und....... rockt!!
 

 
So verbringen wir unsere erste Nacht in Liverpool  und steigern uns in Vorfreude auf den nächsten Tag hinein. Nicht zu Unrecht.  








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